Vom Bürgerfrust zu Steinen im Wandel
Spätestens seit der Finanzkrise 2008/09 musste ich wie viele andere Leute auch der Tatsache ins Auge sehen: So geht's nicht!
Es geht nicht, dass die Wirtschaft zunehmend die politischen Entscheidungen diktiert statt umgekehrt.
Es geht nicht, dass Finanzinstitute sich selbst in den Ruin spekulieren und dann von der Gemeinschaft der Steuerzahler "gerettet" werden müssen.
Es geht nicht, dass wirtschaftlicher Erfolg sich nur im Bruttonationalprodukt messen lässt (auch Kriege und Naturkatastrophen sorgen für dessen Steigerung, ohne dass es den Menschen deshalb besser ginge).
Auf der Suche nach Lösungen besuchte ich dann einen Vortrag von Christian Felber zum Thema "Gemeinwohlökonomie" in der dualen Hochschule in Lörrach und war beeindruckt: Es gab doch Vordenker, die sich bereits ein menschenfreundliches Wirtschaftssystem ausgedacht hatten, das den Schutz der Umwelt und das soziale Miteinander der Menschen höher bewertet als den finanziellen Gewinn.
Und es gab vor allem in Österreich (dort gibt es viele Bio-Betriebe), Südtirol und Spanien (dort waren die Folgen der Bankenkrise besonders stark zu spüren), aber auch in Deutschland Gemeinden, die diese Idee attraktiv fanden und bereits begonnen haben, als "Gemeinwohlgemeinden" entsprechende Akzente in ihrer Politik zu setzen.
Also wurde ich in der Lörracher Gruppe der Gemeinwohlökonomie tätig und begann dann mit meinem Hauinger Kollegen Hartmut Schäfer, uns mit dem Aspekt der Verantwortung der einzelnen Bürger für eine menschenfreundliche Wirtschaft zu beschäftigen. Im Rahmen der VHS Steinen veranstalteten wir kleine Workshops zu fairem Konsum, lernten viel über die Schwierigkeit fairer Textilherstellung, über die Probleme unserer lokalen Landwirtschaftsbetriebe, sich mit ihren erstklassigen Produkten gegen die vordergründig billigere Supermarktware zu behaupten, oder erfuhren, dass es auch andere Krankenversicherungen gibt als die allgemein bekannten überregionalen Krankenkassen.
Inzwischen hatte ich auch von der Bewegung "Transition towns" gehört, die ihren Ursprung in England hat, wo viele findige Leute daran arbeiten, ihre Städte und Gemeinden fit für eine Zukunft zu machen, in der fossile Energien immer weniger vorhanden sein werden.
Diese Idee hat inzwischen auch in Deutschland viele Anhänger und Murg ist für uns das geographisch am nächsten liegende Beispiel (http://www.murgimwandel.de/).
Das "stromrebellische" Schönau war bereits ein Vorläufer der Bewegung.
Überall geht es darum, sich Schritte für ökologisches Handeln zu überlegen, das der Umwelt und somit auch den Menschen zugute kommt - aber dabei bleibt es nicht: sobald die Einwohner ein gemeinsames Projekt haben, bemerken sie, wie befriedigend es ist, etwas gemeinsam zu verwirklichen, es entstehen weitere Initiativen, der Gemeinschaftsgedanke verstärkt sich - und das ist wichtig für die Zukunft: hier in Westeuropa haben wir die Tendenz, recht individualistisch zu leben, dazu kommt in den meisten Fällen die Trennung von Wohn- und Arbeitsort (wie zum Beispiel in Steinen, wo die Bewohner der Neubaugebiete in den seltensten Fällen im Ort arbeiten). Unser Einkommen ist zwar in den letzten Jahrzehnten gestiegen, nicht aber die Lebenszufriedenheit - dabei stehen gelingende soziale Beziehungen ganz oben auf der Liste der Glücksfaktoren! (http://www.diesinnstifter.at/gluecksforschung/).
Aber auch politische Teilhabe ist wichtig für das Wohlbefinden - wie oft haben und hatten viele von uns doch den Eindruck, dass wichtige politische Entscheidungen von eher realitätsfernen Politikern getroffen werden und an unseren Überzeugungen und Bedürfnissen vorbeigehen - verstärkte Mitwirkung ist also gefragt, und da fängt man am besten klein an, im unmittelbaren Umfeld, also in der Gemeinde, denn hier sind die Wege kurz, die Menschen in Verwaltung und Gemeinderat sind unkompliziert zu erreichen, und es fällt uns vieles ein, was Steinen gut tun könnte - verbesserter Nahverkehr, mehr Begegnungsmöglichkeiten für die Bürger, eine gut überlegtes Grünkonzept, bessere Bedingungen für Familien - die Liste ist lang, wie unser erster Workshop gezeigt hat, und die Leute haben Ideen!
Ich wünsche uns, dass Steinen im Wandel ein widerstandsfähiges Pflänzchen wird, aus dem so manches gute Projekt und so mancher interessante Ableger sprießt!
Christine Ableidinger-Günther